Lerntypen: welche gibt es und wie unterscheiden sie sich?
Ist dir schon einmal aufgefallen, dass es dir viel leichter fällt, dir etwas zu merken, wenn du es bildlich siehst? Oder prägst du dir Dinge besser durch zuhören ein? Was diese Fragen mit Lerntypen zu tun haben, wie viele verschiedene Lerntypen und welche Kritik es gibt, erfährst du in diesem Artikel.
INHALT
Was sind Lerntypen?
Jeder von uns nimmt Informationen anders auf und verarbeitet diese. Dem einen fällt es leichter, Lernstoff durch mündliche Erklärungen aufzunehmen, dem anderen helfen visuelle Darstellungen wie beispielsweise Mind-Maps oder Diagramme. Die Art und Weise, wie wir Lerninhalte aufnehmen, ist bei jedem Menschen unterschiedlich. Durch die eigenen Vorlieben und die unterschiedlichen Wege des Lernens ergeben sich die Lerntypen. Es handelt sich dabei jedoch eher um dominante Tendenzen und nicht um festgesetzte Lerntypen. Wer seine Stärken und Schwächen kennt und weiß, welche Lernmethode einem am ehesten liegt, kann sein eigenes Lernverhalten anpassen und somit einfacher und effektiver lernen.
Welche Lerntypen gibt es?
Der Begriff „Lerntyp“ tauchte das erste Mal in den 70er Jahren im Buch „Denken, Lernen, Vergessen“ von Frederic Vester auf und hat sich seitdem weitestgehend etabliert. Vester definierte damals vier Lerntypen, die sich nach der Art, wie sie sich Wissen aneignen, unterscheiden. Diese Lerntypen sind angelehnt an die verschiedenen Wahrnehmungskanäle des Menschen und richten sich vor allem nach den persönlichen Präferenzen bzw. dienen als Orientierung. Die meisten Menschen sind eher Mischtypen, da verschiedene Lerntypen auf sie zutreffen. Aus einer Kombination verschiedener Situationen und Umgebungsvariablen ergibt sich dann die optimale Lernmethode. Wahrscheinlich gibt es letztendlich so viele Lerntypen, wie es Lernende gibt. Hier siehst du nun, welche Lerntypen es gibt und wie sie sich beim Aufnehmen, Zusammenführen und Speichern von Lernstoff unterscheiden.
Visueller Lerntyp - der Betrachter: Lernen durch Sehen
Dem visuellen Lerntyp fällt es am leichtesten mit bildbasierten Medien und einer Kombination aus Texten und Bildern zu lernen. Er macht sich gerne erstmal ein Bild von allem, da bei ihm das Sehen und Beobachten im Mittelpunkt steht. Der visuelle Typ beobachtet am liebsten Handlungsabläufe oder schaut sich Infografiken, Diagramme und Bilder an. Sich mittels Lesen Wissen anzueignen, spielt beim visuellen Lerntyp eher eine untergeordnete Rolle. Bunte Textmarker und kleine Notizen oder Skizzen am Rand helfen ihm dann aber, Informationen zu filtern und zu visualisieren, um sie sich so besser zu merken. Außerdem ist für den visuellen Lerntypen eine schöne Lernumgebung wichtig, da dieser gerne ordentlich und strukturiert arbeitet.
Lernhilfen: Bücher, Skizzen, Bilder, Lernposter, Videos, Lernkarteien, Zusammenfassungen, bunte Textmarker
Auditiver Lerntyp - der Zuhörer: Lernen durch Hören
Dem auditiven Lerntypen fällt es leicht, Gehörtes aufzunehmen. Mündlichen Erklärungen zu folgen, diese aufzunehmen und auch wiederzugeben ist für auditive Lerntypen ein Klacks, da sie gut zuhören können und aufmerksam bleiben. Zum Lernen benötigen sie eine ruhige Umgebung, da Geräusche sie schnell stören oder ablenken. Das gesprochene Wort ist für auditive Lerntypen das A und O, weshalb sie beim Lernen meist ihre Lippen bewegen oder den Lernstoff sogar laut vor sich hersagen. Außerdem hilft es ihnen, Texte laut vorzulesen oder auch Gespräche mit sich selbst zu führen beim Lernen bzw. den Inhalt mit eigenen Worten wiederzugeben.
Lernhilfen: Audio-CDs, Gespräche, Vorträge, Musik, ruhige Umgebung, lautes Vorlesen, Sprachaufnahmen
Motorischer Lerntyp - der Praktiker: Lernen durch Bewegung
Dem motorischen Lerntyp (auch: haptischer Lerntyp oder kinästhetischer Lerntyp) fällt es am leichtesten, nach dem Motto „Learning by Doing“ zu lernen d.h. selber aktiv beteiligt zu sein. Motorische Lerntypen lernen am effektivsten, wenn sie Handlungsabläufe selbst durchführen, Dinge ausprobieren, anwenden und anfassen können. Das Fühlen vor allem mit den Händen und auch Bewegung spielen eine wichtige Rolle. Der Lernerfolg des motorischen Typs besteht darin, durch Prozesse und Erfahrenes bereits Gelerntes abzurufen.
Lernhilfen: Experimente, (rhythmische) Bewegungen, Rollenspiele, Gruppenaktivitäten, Nachmachen
Kommunikativer Lerntyp - der Diskutierer: Lernen durch Gespräche
Der kommunikative Lerntyp (auch: intellektueller Lerntyp) lernt gerne und gut im Austausch mit anderen. Die sprachliche Auseinandersetzung mit dem Lernstoff ist für ihn die einfachste Methode, um ein Thema zu verstehen und sich Wissen anzueignen. Kommunikative Lerntypen stellen gut durchdachte Fragen, hinterfragen Aussagen und Glaubenssätze und tragen (z.B. als Kind in der Schule) zu einer aktiven Mitgestaltung des Unterrichts bei. Als kommunikativer Typ führt man gerne angeregte Diskussionen und Gespräche oder hält Vorträge.
Lernhilfen: Seminar- und Lerngruppen, Diskussionen, Vorträge, Frage-Antwort-Spiele, Gespräche / Dialoge
Kritik am Lerntypen-Modell nach Frederic Vester
Das Lerntypen-Modell von Vester wird vor allem kritisiert, da es zu starr eingeteilt ist. Nach seinem Modell gehört jeder genau einem Lerntyp an, dabei sind die meisten Menschen eher Mischtypen. Welche Lernmethode einem am ehesten liegt, ist unter anderem auch abhängig von der Persönlichkeit sowie den eigenen Vorlieben und Interessen. Weitere Faktoren, die ebenfalls nicht berücksichtigt werden, sind die Lernmotivation, bereits vorhandenes Wissen, intellektuelle Voraussetzungen und die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses. Des Weiteren wurde auch angemerkt, dass bei drei der vier Lerntypen ein Sinnesorgan im Fokus steht und es bei dem vierten Lerntyp jedoch vor allem um den Verstehens- und Verarbeitungsprozess geht. Das hat Fragen aufgeworfen, da für das Lernen sowohl die Sinnesorgane als auch die kognitive Verarbeitung eine Rolle spielen.
Mittlerweile spricht man eher von verschiedenen Lernstilen, die sich aus der präferierten Lernmethode und den entsprechenden Lernmitteln zusammensetzen. Es ist nicht effektiv nur mit einem Sinn zu lernen, denn je mehr Sinne wir beim Lernen nutzen, desto besser können wir uns an Informationen erinnern und diese behalten:
- nur hören: 20%
- nur sehen: 30%
- sehen und hören: 50%
- sehen, hören und erklären: 70%
- sehen, hören, erklären und umsetzen: 90%
Es macht also Sinn, alle Arten der Informationsaufnahme zu nutzen und für sich die bevorzugten Wahrnehmungskanäle und somit den eigenen individuellen Lerntyp herauszufinden.
Gibt es weitere Lerntypen?
Aufgrund der starken Kritik an Vesters Lerntypenmodell wurden weitere Lerntypentheorien entwickelt, die neben Vesters Erkenntnissen noch weitere Aspekte mit einbinden wie beispielsweise die Persönlichkeit der Personen oder ein bestimmtes Verhalten.
Lerntypen nach Josef Schrader
Josef Schrader hat Erwachsene während der beruflichen Weiterbildung beobachtet, um so verschiedene Lernpersönlichkeiten zu erforschen. Insgesamt ist er so auf fünf unterschiedliche Lerntypen gekommen.
1. Der Theoretiker
Theoretiker lernen gerne und haben kein Problem mit dem Lernstoff. Sie haben Interesse sowohl an der Theorie als auch an der Praxis. Es ist Ihnen wichtig, Zusammenhänge nachvollziehen zu können. Von Bedeutung ist dabei vor allem die ersichtliche Anwendung. Gibt es mal Schwierigkeiten, stellen diese für den Theoretiker eher eine Herausforderung dar als ein Problem.
2. Der Anwendungsorientierte
Anwendungsorientierte probieren gerne aus und suchen die direkte Verbindung zur praktischen Anwendung. Für sie ist es herausfordernd, wenn der Lernstoff abstrakt ist und eine praktische Umsetzung nicht möglich ist. Als Anwendungsorientierter macht es Sinn, seine Lerninhalte in Teilschritte zu unterteilen.
3. Der Musterschüler
Musterschüler sind sehr strebsam, fleißig und ehrgeizig. Sie erhalten gute Noten durchs Lernen und sind ein guter Ansprechpartner für Verständnisprobleme und allgemein für Fragen. Für Musterschüler ist es jedoch schwierig, im Fall von unerwarteten Problemen eigenständig Lösungen zu finden, weshalb sie lieber angeleitet lernen. Eine gute Unterstützung für sie sind deshalb Lerngruppen.
4. Der Gleichgültige
Gleichgültige Menschen lernen generell nicht gerne und wenn, dann nur das Nötigste, um irgendwie durchzukommen. Sie haben weder ausgeprägte Abneigungen noch bestimmte Vorlieben gegenüber verschiedenen Themen. Um das Problem zu beheben, sollten gleichgültige Menschen an ihrer Motivation arbeiten und könnten sich z.B. einen Arbeitsplan erstellen und sich selbst nach jedem abgehakten Thema belohnen. Das steigert die Motivation und das Ziel bleibt im Fokus.
5. Der Unsichere
Unsichere Menschen haben große Angst vor dem Lernen, da sie von vornherein davon ausgehen, dass sie damit viele Probleme haben werden, die sie nicht lösen können. Das machen sie an ihren angeblich mangelnden Fähigkeiten fest, woraus grundsätzlich ein schlechtes Selbstbild resultiert. Sie brauchen den Druck und einen plausiblen Grund, warum das Lernen sinnvoll ist. Ansonsten würden sie wahrscheinlich nur das Lernen, was sie sich möglichst gut merken können. Unsicheren Menschen hilft es, den Lernprozess in kleinere Schritte zu unterteilen. Somit gibt es mehrere Etappenziele und dadurch immer wieder Erfolgserlebnisse. Außerdem steigt dadurch auch das Selbstbewusstsein.
Lerntypen nach David A. Kolb
David A. Kolbs Erkenntnisse basieren auf dem Modell des erfahrungsbasierten Lernens. Dadurch hat er vier Lernstile entwickelt, die verschiedene Stationen eines Lernprozesses widerspiegeln.
1. Diverging = Entdecker
Die Entdecker stehen am Anfang des Lernprozesses, welcher mit einer konkreten Erfahrung beginnt. Sie sind offen für neue Inhalte und setzen sich mit diesen ausführlich auseinander. Entdecker arbeiten an ihrem Lernpensum.
2. Assimilating = Denker
Als nächstes folgen die Denker. Sie bevorzugen das reflektive Beobachten, bei welchem beispielsweise theoretische Modelle erkannt werden. Denker überprüfen, wie gut und effizient sie lernen.
3. Converging = Entscheider
Im nächsten Schritt sind die Entscheider an der Reihe. Diese bevorzugen die abstrakte Begriffsbildung, mit deren Hilfe Konzepte und Generalisierungen vorgenommen werden. Entscheider ziehen eine Schlussfolgerung.
4. Accomodating = Praktiker
Zu guter Letzt kommen die Praktiker ins Spiel. Ihre Vorliebe liegt im aktiven Experimentieren. Praktiker ändern bei Bedarf ihr Lernverhalten.
Lerntypen nach Neil Fleming
Die Lerntypen nach Neil Fleming sind angelehnt an das Lerntypenmodell von Vester. Jedoch konzentrieren sich seine Methoden ausschließlich auf die sinnliche Wahrnehmung. Er unterscheidet ebenfalls zwischen vier verschiedenen Lerntypen.
Visuell
Der visuelle Typ bevorzugt Schaubilder und generell alles, was in Darstellung angeordnet ist.
Auditiv
Der auditive Typ hört am liebsten das, was er lernen soll und tauscht sich gerne mit anderen Personen in Diskussionen aus.
Lesend-schreibend
Diesem Typ liegt es am ehesten in Büchern zu lesen und sich die wichtigsten Informationen aufzuschreiben.
Kinästhetisch
Der kinästhetische Lerntyp kommt am besten mit „Learning by Doing“ klar, also einer anwendungsbezogenen Vermittlung von Informationen.
Natürlich gibt es auch bei diesem Modell Mischformen. Dabei unterscheidet man vor allem zwischen zwei Typen. Bei Typ 1 ist die bevorzugte Lernstrategie situationsabhängig. Je nach Kontext passt dieser seinen Lerntypen auf die Situation an. Typ 2 versucht möglichst alle bevorzugten Wahrnehmungskanäle zu bedienen. So bereitet sich der Lerntyp umfassend vor, auch wenn sich seine Lerngeschwindigkeit dadurch etwas reduziert.
Fazit: Du bist dein individueller Lerntyp
Nach der Vorstellung all dieser verschiedenen Lerntypen stellt sich jetzt natürlich die Frage: Welcher Lerntyp bin ich denn nun? Doch so pauschal kann man das gar nicht beantworten, da neben der bevorzugten Art zu lernen auch Faktoren wie die Persönlichkeit oder die eigene Motivation eine Rolle spielen. Am leichtesten ist es, einfach verschiedene Methoden auszuprobieren. So findet man sehr schnell heraus, wie man selbst am besten und effektivsten lernt.
Die genannten Informationen haben wir nach bestem Wissen sorgfältig zusammengetragen. Eine Haftung jeglicher Art schließen wir dennoch aus.
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